Erkenntnisse bei der Recherche

In der letzten Woche habe ich eine erste allgemeine Recherche durchgeführt und mich mit so illustren Themen wie Didaktik, Theologie und Wissensmanagement befasst. War ’ne spannende Sache, bei der ich die ein oder andere Erkenntnis für das Diplomthema gewonnen habe.

Erkenntnis #1: Die Bibel ist zentral.

Das sollte eigentlich offensichtlich sein, aber wie leicht verliert man diesen Punkt aus den Augen. In der Bibel offenbart sich Gott den Menschen. Sie ist somit, zumindest für Christen, die wichtigste Erkenntnis- und Wissensquelle. Die nächste Frage ist die nach der Autorität der Schrift — welchen Stellenwert sie hat und wie sie gelesen werden soll. Hier haben Liberale, Neoorthodoxe und Konservative verschiedene Ansichten, auf die ich nicht näher eingehen will; wichtig ist zu wissen, dass jedes System, jede Anwendung, die versucht, die Bibel gleichsam “aufzuschlüsseln”, ihr die letztendliche Autorität zuschreiben muss. Die Bibel ist zentral und nicht die Methoden und Tools.

Erkenntnis #2: Es geht um den Kontext.

Einerseits um den oder die Kontext(e) jeder einzelnen Bibelstelle bei der Auslegung — wenn man eine wörtliche, texttreue Hermeneutik zugrundelegt. Und andererseits um den Kontext des eigenen Wissens und der eigenen Erfahrungen, denn komplexes Wissen ist kontext- und personenabhängig.

Ziel der Anwendung sollte es also sein, es zu ermöglichen, den Kontext in der Bibel zu erforschen und dadurch — durch die Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes — neue Erkenntnisse zu gewinnen. Erst jeder für sich, dann gemeinsam im Austausch. In der gemeinsamen Auseinandersetzung mit der Bibel wird es aber auch darum gehen, persönliche Erfahrungen zu schildern und ganz bewusst — ähnlich wie in Blogs — aus einer subjektiv gefärbten, eigenen Perspektive zu erzählen. Das wird in der Anwendung auch als solches gekennzeichnet sein (damit eigene Meinungen nicht mit objektiv erarbeiteten, quasi-wissenschaftlichen Erkenntnissen verwechselt werden). Diesen Prozess nennt man im Wissensmanagement Externalisierung und bedeutet, dass man implizites (stilles) Wissen in explizites Wissen umwandelt, also Erfahrungswissen, das immer mit dem Träger sozusagen fest vernetzt ist, für andere ersichtlich und dokumentierbar macht. In der Fachwelt wird darüber heftig diskutiert, ob das überhaupt möglich ist. Umsomehr gilt das auch für “spirituelles Wissen”, also Erfahrungen mit Gott im Leben eines Einzelnen, und die Herausforderung ist es, den Kontext einer solchen Erfahrung zu “konservieren” und auf gewinnbringende Weise mit anderen zu teilen.

Wenn es um die gemeinsame Auslegung einer Stelle geht (ein Kernfeature der Anwendung), kommt Osborne’s “hemeneutical spiral” ins Spiel: Er sagt, dass Hermeneutik (Die Frage danach, wie wir die Bibel auslegen sollen) eine Spirale vom Text zum Kontext ist, eine Bewegung zwischen dem Horizont des Textes (der Bibelstelle) und dem Horizont des Lesers, die sich immer mehr – mit jeder Iteration — der Bedeutung der Stelle und ihrer Relevanz für unser heutiges Leben annähert. Praktisch könnte das heissen: In der Anwendung gibt es Erklärungen zum Kontext einer Bibelstelle, sowohl von der Community hinzugefügte, als auch aufbereitete Hintergrundinformationen. Jeder bringt seine Gedanken ein, wobei für alle klar ist, wie die einzelnen Wissens- und Erfahrungs-Hintergründe aussehen (durch das Profil, Sozialisation und eben Externalisierung). Gemeinsam kann so, wie in einer Bibelstudiengruppe, mehr und mehr die Bedeutung herausgearbeitet werden.

Erkenntnis #3: Der Schwerpunkt wird vermutlich bei den social features und der Modularität liegen.

Gute offline-Bibelprogramme gibt es (wenn auch nicht unbedingt in Deutsch), Websites, die einen jungen und frischen Zugang zur Bibel vermitteln, mittlerweile auch. Interessant sind die social software-Features, die eine interessengelenkte Community ermöglichen sollen, die ein klares Ziel und eine klare Vision hat. Dazu gehören Features wie Tagging und Profile, die die Arbeit am zentralen Wissensmodul Bibel vereinfachen soll. Der user generated content und nicht bereits existierende Kommentare, Lexika und dergleichen — die alle ihren berechtigen Platz haben — ist dann letztendlich das, was das System so wertvoll machen wird. Man wird Kommentar-Feeds von Profis in bestimmten Bereichen — z.B. für die paulinischen Briefe — abonnieren können. Links zu multimedialen Inhalten im Netz — nicht nur auf der Plattform selbst — können Sachverhalte klarmachen und verdeutlichen. Didaktisch aufbereitete Lernmodule könnten Grundlagenwissen vermitteln und so den Einstieg leichter machen. Hier habe ich schon ein paar Ideen für Visualisierungen.

Bin auf eure Kommentare gespannt. Könnt ihr euch so eine Anwendung vorstellen?