Das ist Leben

In einem evangelischen Kirchenblättchen gefunden:

Zu wissen,
dass man es nicht schaffen wird;
zu wissen,
dass man nicht überall sein kann;
zu wissen,
dass man nicht immer die richtigen Worte findet;
zu wissen,
dass man versagen wird;
zu wissen,
dass man trotzdem geliebt und angenommen ist
und so freudig den neuen Tag beginnen
und bereit sein, ihn zu erleben.
Das ist Leben!

– Reinhard Ellsel

Habe nicht so den Bezug zur evangelischen Landeskirche, aber das Gedicht ist wunderschön.

Erkenntnisse bei der Recherche

In der letzten Woche habe ich eine erste allgemeine Recherche durchgeführt und mich mit so illustren Themen wie Didaktik, Theologie und Wissensmanagement befasst. War ’ne spannende Sache, bei der ich die ein oder andere Erkenntnis für das Diplomthema gewonnen habe.

Erkenntnis #1: Die Bibel ist zentral.

Das sollte eigentlich offensichtlich sein, aber wie leicht verliert man diesen Punkt aus den Augen. In der Bibel offenbart sich Gott den Menschen. Sie ist somit, zumindest für Christen, die wichtigste Erkenntnis- und Wissensquelle. Die nächste Frage ist die nach der Autorität der Schrift — welchen Stellenwert sie hat und wie sie gelesen werden soll. Hier haben Liberale, Neoorthodoxe und Konservative verschiedene Ansichten, auf die ich nicht näher eingehen will; wichtig ist zu wissen, dass jedes System, jede Anwendung, die versucht, die Bibel gleichsam “aufzuschlüsseln”, ihr die letztendliche Autorität zuschreiben muss. Die Bibel ist zentral und nicht die Methoden und Tools.

Erkenntnis #2: Es geht um den Kontext.

Einerseits um den oder die Kontext(e) jeder einzelnen Bibelstelle bei der Auslegung — wenn man eine wörtliche, texttreue Hermeneutik zugrundelegt. Und andererseits um den Kontext des eigenen Wissens und der eigenen Erfahrungen, denn komplexes Wissen ist kontext- und personenabhängig.

Ziel der Anwendung sollte es also sein, es zu ermöglichen, den Kontext in der Bibel zu erforschen und dadurch — durch die Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes — neue Erkenntnisse zu gewinnen. Erst jeder für sich, dann gemeinsam im Austausch. In der gemeinsamen Auseinandersetzung mit der Bibel wird es aber auch darum gehen, persönliche Erfahrungen zu schildern und ganz bewusst — ähnlich wie in Blogs — aus einer subjektiv gefärbten, eigenen Perspektive zu erzählen. Das wird in der Anwendung auch als solches gekennzeichnet sein (damit eigene Meinungen nicht mit objektiv erarbeiteten, quasi-wissenschaftlichen Erkenntnissen verwechselt werden). Diesen Prozess nennt man im Wissensmanagement Externalisierung und bedeutet, dass man implizites (stilles) Wissen in explizites Wissen umwandelt, also Erfahrungswissen, das immer mit dem Träger sozusagen fest vernetzt ist, für andere ersichtlich und dokumentierbar macht. In der Fachwelt wird darüber heftig diskutiert, ob das überhaupt möglich ist. Umsomehr gilt das auch für “spirituelles Wissen”, also Erfahrungen mit Gott im Leben eines Einzelnen, und die Herausforderung ist es, den Kontext einer solchen Erfahrung zu “konservieren” und auf gewinnbringende Weise mit anderen zu teilen.

Wenn es um die gemeinsame Auslegung einer Stelle geht (ein Kernfeature der Anwendung), kommt Osborne’s “hemeneutical spiral” ins Spiel: Er sagt, dass Hermeneutik (Die Frage danach, wie wir die Bibel auslegen sollen) eine Spirale vom Text zum Kontext ist, eine Bewegung zwischen dem Horizont des Textes (der Bibelstelle) und dem Horizont des Lesers, die sich immer mehr – mit jeder Iteration — der Bedeutung der Stelle und ihrer Relevanz für unser heutiges Leben annähert. Praktisch könnte das heissen: In der Anwendung gibt es Erklärungen zum Kontext einer Bibelstelle, sowohl von der Community hinzugefügte, als auch aufbereitete Hintergrundinformationen. Jeder bringt seine Gedanken ein, wobei für alle klar ist, wie die einzelnen Wissens- und Erfahrungs-Hintergründe aussehen (durch das Profil, Sozialisation und eben Externalisierung). Gemeinsam kann so, wie in einer Bibelstudiengruppe, mehr und mehr die Bedeutung herausgearbeitet werden.

Erkenntnis #3: Der Schwerpunkt wird vermutlich bei den social features und der Modularität liegen.

Gute offline-Bibelprogramme gibt es (wenn auch nicht unbedingt in Deutsch), Websites, die einen jungen und frischen Zugang zur Bibel vermitteln, mittlerweile auch. Interessant sind die social software-Features, die eine interessengelenkte Community ermöglichen sollen, die ein klares Ziel und eine klare Vision hat. Dazu gehören Features wie Tagging und Profile, die die Arbeit am zentralen Wissensmodul Bibel vereinfachen soll. Der user generated content und nicht bereits existierende Kommentare, Lexika und dergleichen — die alle ihren berechtigen Platz haben — ist dann letztendlich das, was das System so wertvoll machen wird. Man wird Kommentar-Feeds von Profis in bestimmten Bereichen — z.B. für die paulinischen Briefe — abonnieren können. Links zu multimedialen Inhalten im Netz — nicht nur auf der Plattform selbst — können Sachverhalte klarmachen und verdeutlichen. Didaktisch aufbereitete Lernmodule könnten Grundlagenwissen vermitteln und so den Einstieg leichter machen. Hier habe ich schon ein paar Ideen für Visualisierungen.

Bin auf eure Kommentare gespannt. Könnt ihr euch so eine Anwendung vorstellen?

Terrence Malicks Filme

Malicks Filme gehören zu den missverstandendsten Werken den zeitgenössischen Films. Woran das liegt, weiss ich nicht. Bei ihnen gehen jedenfalls die Meinungen weit auseinander; so auch bei “The Thin Red Line”, einem Antikriegsfilm. Habe ihn letztens gesehen und war wieder einmal schwer beeindruckt. Ein zutiefst spiritueller Film, der Männer portraitiert, die, jeder auf seine Weise, auf der Sinnsuche unter unmenschlichsten Umständen sind.

Man kann diese Filme nicht so sehen, wie man eine normale Hollywoodproduktion sehen würde. Sie haben eine eigene visuelle Sprache, die nicht den gängigen Erwartungshaltungen eines Kinogängers entspricht: Keine Standardsymbolik, keine klassischen Handlungsabläufe; Weniger Plot, Dialoge und Charakterisierung, dafür viel Subplot und Poesie im visuellen Ausdruck. Um sie zu verstehen, sollte man eher in einer aufnehmenden, betrachtenden als einer konsumierenden Haltung sein, in etwa so, wie man ein Gemälde in einer Ausstellung betrachten würde. Dann fängt der Film an, auf einmal zu reden und sich einem aufzuschlüsseln. Es ist sicherlich eine Frage des Geschmacks und auch eine Frage des Typs, aber diese Art von Film spricht mich teilweise mehr an als konventionelle, auf einer normalen Erzählstruktur basierende Filme.

Jeffrey Overstreet geht es ähnlich, in seiner Liste der Top-Filme 2006 spricht er über “The New World”. Brett McCracken, sein Interviewpartner, bringt folgendes, interessantes Statement:

The chief strength of The New World is that it approaches the world’s beauty and sadness as a receiver rather than a user. Large portions of the film’s shots, dialogue, and even characters do not service the plot in the way we have come to expect in cinema. Rather, it approaches existence from a God’s-eye view, peaking in on the whispers and locusts that sometimes say more about goodness and truth than grand soliloquies or climaxes.

Nachtschichten

Der einzige Weg, mich momentan noch über Wasser zu halten, ist mit Pocket Coffee. Untrügerisches Zeichen, dass es Zeit ist, wenigstens heute mal auszuspannen — obwohl wir noch mitten im Realisierungsstress unseres Projektes sind. Merke, dass die Nachtschichten in letzter Zeit alles andere als gut für mich waren. Wenn ich jetzt nicht kürzer trete und mal halblang mache, werde ich ausbrennen.

Eben habe ich das letzte Kapitel von Yanceys Buch „What’s so Amazing About Grace“ angefangen, und es ist echt Balsam für meine Seele. Es ist eins von diesen total horizonterweiternden Büchern, deren Grundaussage mit dem übereinstimmt, was man vorher schon irgendwie erahnt hat oder worauf man im Herzen schon vorbereitet worden ist. Vielleicht schreibe ich im Zusammenhang mit Berufung und Vision nochmal näher darüber. Erst muss ich mich mal ein bisschen entspannen….

Steh auf und geh

Der Kranke am Teich Bethesda, der schon 38 Jahre krank war, hat Jesus einfach geglaubt, als er ihm sagte: „Steh auf, nimm dein Bett und geh hin!“ Vielleicht hat er ein wenig gezögert, Jesus angeschaut, und in Jesu Augen eine unwiderstehliche Kraft und Liebe gesehen. Aber ich frage mich, wieso hat er Jesus einfach geglaubt und nicht widersprochen?

Schwer vorstellbar in unserer heutigen Zeit, wo alles hinterfragt, durchleuchtet und skeptisch betrachtet wird. Ja, es war so, dass der Kranke direkt in die Augen Gottes geschaut hat. Das war der entscheidende Faktor. Aber ich glaube auch, dass bei ihm schon vorher eine Bereitschaft und die richtige Haltung des Herzens da war, auch nach 38 Jahren des Leidens eben nicht zynisch und abgeklärt und gleichgültig zu sein.

Und da ist für mich der springende Punkt. In meinem persönlichen Leben muss ich feststellen, dass eben diese Gefahr besteht, abgeklärt zu werden. Man sieht soviel, bekommt soviel mit, der alltägliche Wahnsinn eben. Kein Vergleich zur Zeit des Altertums, wo man mit einer überschaubaren Anzahl von Menschen wirklich näher in Kontakt kommt. Es ist eine Leistung, angesichts der täglichen Reizüberflutung sich auf das Wesentliche einzulassen und im entscheidenden Moment eben nicht anzufangen mit „Ja, aber…“, sondern Gott zuzuhören, darauf, was Jesus einem zu sagen hat. Ohne wenn und aber. Auch wenn man schon vieles ausprobiert, vielen geglaubt hat und meistens enttäuscht worden ist.

Angst davor innezuhalten

Peter Aschoff hat in seinem Blog ein interessantes Zeit-Zitat aufgegriffen, das ich hier gerne wiedergeben möchte:

In der Natur gibt es keine Langeweile. Langeweile ist eine Erfindung der Beschleunigungsgesellschaft, deren Mitglieder fürchten, zu sich selbst kommen zu müssen und Leere zu finden.

Letztens ist mir sehr bewusst geworden, dass wir oft Angst vor diesem Entschleunigen und Innehalten haben. Ich möchte dennoch behaupten, dass man da mit Gott die eindeutig besseren Karten hat — denn er trägt uns spürbar in den Zeiten der Not und er ist die ultimative Antwort auf die Frage des Lebens. Ohne jetzt ins Predigen abgleiten zu wollen, noch ein Auszug aus dem Buch „Gott in der Erlebnisgesellschaft“ von Heinzpeter Hempelmann:

Erleben [im postmodernen Sinne] hat offenbar vor allem die Funktion, mindestens aber die weit verbreitete Wirkung, über das Leben nicht mehr nachdenken zu müssen. […] Nur wenn es den Sinn, die Wahrheit, den Wert des Menschen nicht mehr gibt, was bleibt dann tatsächlich anderes, als jeden Zustand zu vermeiden, in dem sich diese uns von Natur aus aufgegebenen Fragen stellen könnten? Was bleibt dann anderes als eine immer weitergehende Beschleunigung unserer Lebensverhältnisse, die Leben in Erleben auflösen, Mobilität zum Trumpf, Tempo zur Tugend machen und alle Verlangsamung vermeiden helfen, die mich zu einer Ruhe führen könnte, in der ich doch wohl nur einer Sache sicher sein könnte: der bohrenden Unruhe über meine innere Leere?

Wie Hempelmann selbst zugibt, ist das natürlich etwas überzeichnet; trifft aber meiner Meinung nach das Problem der Erlebnisgesellschaft ganz gut. Fest steht: Nur Gott kann diese Leere in den Herzen ausfüllen — gerade in unserer postmodernen Erlebnis- oder eben Beschleunigungsgesellschaft.

Jahreslosung 2007

Die Jahreslosung 2007 lässt mich irgendwie nicht mehr los. Sie lautet für das Jahr 2007:

Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? [Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.] (Jesaja 43, 19)

Der letzte Teilsatz gehört eigentlich nicht mehr dazu; habe ihn aber für das bessere Verständnis hinzugefügt. Normalerweise stehe ich den Losungen eher etwas skeptisch gegenüber. Kommt halt darauf an, wie man mit ihnen umgeht. Ich versuche nicht, in sie krampfhaft einen persönlichen Bezug hineinzulesen (Eisegese – das Gegenteil von Exegese), und wenn mich mal bestimmte Verse ansprechen, dann ist das erste, was ich mache, immer den Kontext der Stelle zu Rate zu ziehen. Andererseits glaube ich schon, dass sich die Herrnhuter mit viel Gebet über die Losungen Gedanken machen und so nicht unbedingt alles gleich zufällig passiert.

Diese Jahreslosung jedenfalls, die natürlich ersteinmal einen klaren Bezug auf das Volk Israel zur Zeit des Exils hat, kann man jedenfalls durchaus auf uns heute beziehen. Die Prophetien Jesajas sind oft unglaublich komplex und vielschichtig und haben oft mehrere Zeitpunkte und Adressaten, wann sie in Erfüllung gehen. In diesem Abschnitt schwankt Gott zwischen Verdammnis und liebevoller Zuneigung zu seinem Bündnisvolk, und hier kommt so richtig wieder mal sein grosses Herz raus. Es ist ein deutliches Heilsversprechen, gepaart mit der Aufforerung, nicht zurück zu schauen auf das, was Gott getan hat – was die Israeliten vermutlich oft getan haben! – sondern unbedingt nach vorne zu schauen. Diesen Aspekt hat Tobias in seinen Blog besonders beleuchtet.

Kann sein, dass es an meinen Umständen liegt, aber ich nehme diese Jahreslosung als persönliche Verheissung an. Ja, er wird etwas Neues in meinem und deinem Leben machen — in meinem Fall nach einer langen Periode der Gleichförmigkeit und zuletzt auch der Tragödie. Gott ist aktiv, der frische Wind kommt, ein Neuanfang. Aber für mich bedeutet die Jahreslosung auch, dass ich im Hier und Jetzt mich in seiner Gegenwart ausruhen kann – denn er versorgt mich. Keine Chance, dass mir das Wasser ausgeht oder das Essen knapp wird.

Happy New Year

Ein schönes und erfolgreiches neues Jahr wünsche ich euch allen! Das vergangene Jahr war schwierig und turbulent; in allen Herausforderungen war Gott aber spürbar da, mit Wegweisung, Trost, seinem Frieden und seiner Gnade. Unser Spruch für das neue Jahr ist Psalm 34,5-6:

Als ich den Herrn um Hilfe bat, antwortete er mir und befreite mch von meinen Ängsten. Wer zum Herrn aufschaut, der strahlt vor Freude, und sein Vertrauen wird nie enttäuscht.

Weihnachtsgala in der Gemeinde

Gestern wurde ich Zeuge einer Weihnachtsgala, die von vorne bis hinten durchchoreographiert war. Alles in allem war es aber sehr unruhig und ohne richtigen „Fluss“. Wenn Weihnachtsgala, dann schon bitte richtig: Entweder im Ganzen professionell — oder amateurhaft, aber mit gutem Willen und der richtigen Herzenseinstellung. Man sagt dann immer: „Ach, sie habe sich ja soviel Mühe gegeben“. Natürlich haben sich alle Beteiligten Mühe gegeben, aber das ist nicht der Punkt. Schwierig wird es vor allem dann, wenn der Fokus falsch gelegt wird und dem heiligen Geist nicht genügend Raum gegeben wird. Ein paar Observationen:

  • Wenn Christen einen Style der Welt kopieren oder emulieren, geht das meistens schief.
  • Krampfhafter Versuch, möglichst viele Medienformen zu kombinieren. Die Adaptionsleistung ist immens, sich auf einen TV-Beitrag hier, ein Lied da, dann einen Wortbeitrag usw. zu konzentrieren. Die Dramaturgie wird dadurch nicht gefördert, im Gegenteil.
  • Das Wichtigste: Die Präsenz Gottes. Wenn alles von vorneherein schon zerfahren und unruhig ist, ist es noch schwieriger, innezuhalten und dem heiligen Geist Raum zu geben.

Ich verweise an dieser Stelle auf den Blogbeitrag von Kim Fabricius im Blog Faith and Theology. Es ist klar, dass eine Weihnachtsgala, viel weniger noch als ein Weihnachtsgottesdienst, in der Form einer Predigt ist. Aber sie beinhaltet zweifellos das Evangelium. Das kam sicherlich rüber, aber auf welche Weise? Vielleicht ist es persönlicher Geschmack und subjektives Empfinden, aber in mir wurde nur bei zwei Teilen mein Herz berührt: Bei einem Schauspiel zur Versuchung Jesu in der Wüste (wirklich gut!) und dem gelungenen und tollen Tanz der Kinder zur Herrlichkeit Jesu.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht mit Weihnachtsgottesdiensten oder Weihnachtsgalas? Bin ich hier womöglich schief gewickelt?